Weltweit kopiert, kommt doch kein Volksfest auf der Erde an das Oktoberfest, die Wiesn, heran. Warum das so ist?
Liegt es vielleicht an der Tradition? Auf der Theresienwiese wird schließlich schon seit 1810 gefeiert. Nein, denn es gibt in Bayern Volksfeste, die viel älter sind, die Michaeliskirchweih in Fürth zum Beispiel, erstmals erwähnt im Jahr 1110. Oder die Pfingstmess in Nördlingen (1219) oder der Gillamoos in Abensberg (1313).
Ist es dann vielleicht die schiere Größe? Pro Tag kommen immerhin rund 400.000 Besucher. Nein, der Hamburger Hafengeburtstag lockt eine halbe Million täglich an. Gar nicht zu reden vom Züri Fäscht, wo eine glatte Million Besucher am Tag gezählt werden. Auch die Fläche kann nicht der Grund sein. Die Wiesn ist zwar groß, 350.000 Quadratmeter, ums genau zu nehmen, aber der Canstatter Wasn in Stuttgart bringt es auf 420.000 Quadratmeter.
Also woran liegt es dann? Warum wird alljährlich in der „Tagesschau“ darüber berichtet, wie viele Schläge der Münchner Oberbürgermeister beim berühmten O’zapft gebraucht hat, während andere Volksfeste nur in regionalen Medien eine Rolle spielen? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus vielen Dingen: gelebtes Brauchtum mit Dirndl und Lederhosn, das einmalig süffige Festbier, die Stimmung in den Bierzelten, das Flirten und Anbandeln – Hopfen und Malz erleichtern die Balz oder einfach nur: „Hock Di her, dann samma mehr.“
Die Wiesn ist gleichermaßen ein Fest für Jung und Alt. Für Kinder gibt es sieben Karussells, eine Reitbahn, ein Marionetten- und ein Kasperltheater. Viele gestandene Wiesn-Gänger haben oft seit Jahrzehnten ihren Stammtisch in ihrem Stammzelt, wo man sich täglich mit den Spezln trifft und über Politik oder Fußball debattiert – oder über den gscherten Preis für eine Maß Bier. Wer kein Stammgast ist muss sich frühzeitig um eine Reservierung in eines Oktoberfestzelte kümmern. Es gibt keine Oktoberfest Tickets oder „Seat Reservations“ wie manch Engländer meinen würde, sondern kann nur einen ganzen Tisch reservieren. Meist steht die Reservierung im Zusammenhang mit der Mindestabnahme von 2 Maß Bier/Getränk und einem Hendl. Tipps für die Reservierungen findet man hier oder man sichert sich einen Tisch im „Das Wiesnzelt“ hier.
Auch kulinarisch bietet das Oktoberfest eine Menge. Die Kleinen (und nicht nur die) lieben Zuckerwatte, gebrannte Mandeln und kandierte Früchte, die Großen genießen ein halbes Hendl, einen Schweinsbraten oder einfach eine Wurschtsemmel.
Auch ist die Wiesn völkerverbindend. Wo gibt’s das sonst, dass sich ein Australier mit einer Italienerin und einem waschechten Bayern über den – durchaus diskutablen – Genuss von Schnupftabak unterhält. Oder , dass eine Reisegruppe aus Texas Helene Fischers „Atmelos“ auf der Bank stehend mitgrölt – oder es zumindest versucht. Natürlich ist es auch so, dass das Bier eine Rolle spielt. Es ist ein großer Gleichmacher, der dafür sorgt, dass sich Arm und Reich auf Augenhöhe treffen und kein Klassenunterschied mehr eine Rolle spielt. Mehr noch: Alle werden zu einer feiernden Einheit und liegen sich am Schluss glückselig in den Armen.
Ob man für die Uni lernen sollte oder im Büro einen wichtigen Termin hat oder gar Stress mit dem Vorgesetzten – alles wurscht und ganz weit weg! Auf der Wiesn zählt nur eines: die Wiesn. Das Oktoberfest ist ein eigener Kosmos. Man feiert zu Zeiten, an denen man sonst nie Zeit hätte – in vielen großen Zelten geht’s ab 17 Uhr schon los mit dem Abendprogramm. Die Wiesn gibt den Takt vor – im wahrsten Sinne, denn man hört Musik, die man sonst nie runterladen würde. Und Schluss mit lustig zu einer Uhrzeit, zu der der Durchschnittsjugendliche normalerweise gerade das elterliche Haus verlassen würde.
Die gute Nachricht aber für alle Feierwütigen. Bei den zahllosen After-Wiesn-Partys geht die Schunkel-Sause in die Verlängerung.