Es ist fast wie eine Religion: Jeder eingefleischte Wiesn-Gänger hat sein Lieblingszelt. Oft ist diese Vorliebe sogar vererbt – vom Vater auf den Sohn, von der Mutter auf die Tochter. Viele aber gehen  auch schnurstracks dahin, wo sie am meisten Gleichgesinnte treffen. Ein Teenager zum Beispiel wird im Schottenhamel mehr flirtbereite Altersgenossen – lies: Jungvolk – treffen als in der Augustiner Festhalle (was nicht bedeuten soll, dass dort 16 Tage lang nur Pärchenabend für Senioren ist).

Wichtig für alle Wiesnbesucher ist es also zu wissen, in welchem Zelt man glücklich wird. Und da hilft der folgende Leitfaden: Welches Zelt für welchen Typen?

Schützen-Festzelt: Einmal Schütze, immer Schütze. Die Heimat der bayerischen Jeunesse dorée (hoher Flirtfaktor) – und oft auch ihrer bekannten Eltern. Auch der Adel trifft sich hier im Zelt der Wirtefamilie Reinbold gerne, um bei einer Maß oder einem Marillenschnaps über Gott und die Welt zu fabulieren. Zur Tradition gehört auch der Besuch von Terminator Arnold Schwarzenegger, der hier Jahr für Jahr bei seinem Besuch am Fuße der Bavaria die Kapelle dirigiert.

Schottenhamel Festhalle: Hier findet jedes Jahr am ersten Samstag das berühmte O’zapft (Anzapfen) statt. Der Oberbürgermeister Münchens schwingt den Schlegel und kredenzt dann traditionell die erste Maß des Jahres dem Ministerpräsidenten Bayerns. Das älteste Wiesn-Zelt zieht aber auch junge Gäste an. Schon nachmittags treffen sich viele Cliquen im Biergarten und warten dann sehnlichst, bis drinnen die Wiesn-Stimmung ihre Siedepunkt erreicht.

Pschorr-Festzelt Bräurosl: So süß der Name klingt, so ist es hier auch. Legendär weit über Münchens Grenzen hinaus ist der Gay Sunday am ersten Wiesn-Sonntag. Da sitzen die Lederhosn besonders eng – und Marianne Rosenberg trällert „Er gehört zu mir“. So eine Art Christopher Street Day im Zelt – tolerant, bunt und lustig. Ansonsten kommen vor allem viele Münchner her, die der Bräurosl schon seit Jahren die Treue halten.

Paulaner Festzelt: Bis zu diesem Jahr hieß das Zelt Winzerer Fähndl. Außer dem Namen hat sich aber nicht viel verändert. Stimmung und Einrichtung sind gleich geblieben. Hier feiert die Masse, die keine Platzangst vom Schunkeln abhält. Im Gegenteil: Wer hier herkommt, der geht sonst auch gerne zum Public Viewing. Das Gemeinschaftsgefühl ist auch wirklich einmalig. Kunststück, denn das Paulaner Festzelt ist das größte von allen.

Armbrustschützenzelt: Hier werden seit den 30er Jahren die Deutschen Armbrustschützen-Meisterschaften ausgetragen. Wovon der normale Besucher allerdings nichts mitbekommt, denn scharf geschossen wird in einem Zeltanbau. Ansonsten: gaaanz viel Tradition, Trachtengruppen – und viele Münchner. Wer genug Zielwasser zu sich genommen hat, der kann hier auch einen richtig feschen Treffer landen.

Augustiner Festhalle: Viele Münchner sind sich einig: Hier gibt’s das beste Bier. Es kommt – und das ist wirklich einmalig – aus 200-Liter-Holzfässern und ist besonders süffig. Ebenfalls eher ein Zelt für Einheimische und langjährige Stammgäste, darunter auch viele „Geldige“, die hier in aller Ruhe unter sich sein können. Und: Mit dem Trend zur Tradition wird die Augustiner Festhalle auch beim Wiesn-Jungvolk immer populärer.

Fischer Vroni: Wie der Name schon sagt, gibt es hier guten frischen Fisch. Deshalb ist die Vroni Magnet für Frauen und gleichermaßen für ernährungsbewusste Herren. Besonders berühmt ist der Steckerlfisch, den es in verschiedenen Varianten gibt. Auch die Gay-Szene hat Geschmack an diesem gemütlichen Zelt gefunden. Und: Wenn man Glück hat, sieht man hier auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter eine Maß genießen.

Hacker Festzelt: Der Hotspot für die jungen Wilden. Hier wird gefeiert, was das Zeug hält. Legendär sind spontane Auftritte von den Toten Hosen oder DJ Ötzi, die wissen, wo ihre Zielgruppe zu finden ist. Wer hier allein bleibt, ist selber schuld (oder zu betrunken). Das Zelt heißt auch Himmel der Bayern, was einen Grund hat: Denn das Dach lässt sich – wenn das Wetter es zulässt – öffnen und erlaubt einen Blick gen weiß-blaue Glückseligkeit.

Hofbräu Festzelt: Einzigartig auf dem Oktoberfest: Hier gibt es direkt vor der Kapelle einen Stehbereich für 1000 Personen, in dem man und frau auch tanzen dürfen. Das Publikum ist besonders international – vom australischen Rucksack-Touristen bis zur italienischen Pizza-Verkäuferin. Außerdem ist das Zelt die Heinat vom Engel Aloisius, bekannt aus der Satire „Ein Münchner im Himmel“ von Ludwig Thoma.

Käfer’s Wiesn-Schänke: Mehr Berghütte als weitläufiges Zelt. Liebevoll bis ins kleinste Detail dekoriert. Hier hat es die höchste Promi-Dichte auf der Wiesn. Im Erdgeschoss feiern die Älteren und lassen sich an ihren Stammtischen das vortreffliche Essen schmecken. Im ersten Stock geben Schauspieler, Bayern-Stars und Influencer Gas. Hier hat im letzten Jahr Bill Clinton gefeiert. Und heuer? Vielleicht kommt ja Barack Obama, wie Gerüchte besagen.

Hier steigt am ersten Wiesn Sonntag die dichtbesiedelste Promiparty, der sogenannte Almauftrieb. Es treffen sich hochrangige Vertreter aus Medien, Sport, Showbiz und Wirtschaft.

Kufflers Weinzelt: Wie der Name sagt: Hier gibt’s statt hellem Bier weiße, roséige und rote Wein von bester Qualität. Wie Käfer’s Wiesn-Schänke hat auch das Weinzelt bis 1 Uhr geöffnet, was jeden Tag nach 23 Uhr für einen Extra-Ansturm Feierwütiger aus den anderen Zelten sorgt. Rumgesprochen hat sich, dass die vielen weiblichen Gäste besonders attraktiv sind – und später am Abend auch gerne die Champagnerkorken knallen.

Löwenbräu-Festzelt: Hier wacht ein gut vier Meter hoher Löwe neben dem Eingang, der jede Minuten einmal „Löööööwenbräu“ brüllt. Von dem weltberühmten Namen angezogen, treffen hier besonders viele Touristen aus Amerika auf Fans des TSV 1860 München – die Fußball-Löwen. In diesem Jahr führt zum ersten Mal nach der jahrzehntelangen „Regentschaft“ von Wirte-Urgestein Wiggerl Hagn dessen Tochter Steffi Spendler die Geschäfte.

Marstall Festzelt: Der Neuzugang unter den großen Wiesn-Zelten. Seit 2014 steht hier nicht mehr das Hippodrom, sondern der Marstall – geblieben sind die Pferde. Und Promis gibt es hier immer noch zu sehen – von Sophia Thomalla bis Thomas Gottschalk. Im Biergarten stehen besonders viele Heizstrahler und innen drin schunkelt das Auge mit. Der Marstall ist nämlich besonders liebevoll eingerichtet.

Ochsenbraterei: Ein Muss für Freunde der herzhaften Küche. Hier lockt – der Name verrät’s – hervorragendes Ochsenfleisch. Wer kommt? Vor allem Münchner Firmen und Vereine, die hier ihre Stammtische haben. Tagsüber geht es hier eher zünftig zu mit Blasmusik, bevor am Abend auch hier Chart-Hits und Wiesn-Gassenhauer gespielt werden. Hier treffen sich Menschen, die gutes Fleisch zu schätzen wissen.